Me first?

Output der Verhandlungswoche CDU/CSU/SPD

Das Sondierungspapier ist da, und wenn frau das größere Übel von Neuwahlen – bei denen wir möglicherweise einen weiteren Rechtsrutsch in der Parteienkonstellation riskieren – umschiffen will, ist dies jetzt wohl die Plattform, auf die wir mit möglichst vielen Partnern  eindringlich und konstruktiv unsere Forderungen für soziale, Geschlechter- und Klimagerechtigkeit einbringen müssen.

Positiv sind manche sozialpolitische Ansätze. Vollbeschäftigung wird wieder angestrebt. Das Recht des Kindes soll endlich – bald 30 Jahre – eine Generation! – nach Verabschiedung der Kinderrechtskonvention – ins Grundgesetz aufgenommen werden. Kinderarmut wird konstatiert, und es soll eine Aufstockung des Kindergelds, Gratiskitas für alle Kleinkinder, Ganztagsbetreuung für Schulkinder, und ein verbessertes Berufsbildungs- und Bafög-Anrecht geben. Altersarmut soll mit einem Rentenmindestsatz und einer Grundrente angegangen werden. Das Genossenschaftswesen soll gestärkt werden, der Wohnungsbau intensiviert.

Außenpolitisch gibt es das starke Bekenntnis zu Europa, das im Wahlkampf untergegangen war, und hier sind Maßnahmen zur Überwindung der Steuerflucht angesiedelt; die Finanztransaktionssteuer hat es ins Papier geschafft.

Damit sind eigentlich die positiven Ansitze bereits erschöpft. Um Kinder- und Altersarmut strukturell anzugehen, müßte die prekäre Arbeit ausgehebelt werden, in der die einkommensschwachen Gruppen festhängen; dazu steht wenig im Text. Um das Recht der Kinder und nachfolgender Generationen auf einen funktionierenden Planeten sicherzustellen, bräuchte es umfassende, radikale Klimaschutzmassnahmen.

Nachhaltigkeit jedoch fällt in dem Papier unter den Tisch. Es gibt ein Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen, zugleich verschiebt das Sondierungspapier die Einlösung der längst versprochenen und höchst dringlichen Klimaziele auf 2030.

Auch andere zentrale Politikbereiche sind doppelzüngig.

Das Papier bekennt sich einerseits zum Asylrecht, aber zugleich wird das Recht der Flüchtlinge drastisch eingeschränkt: zurück zu Erstaufnahmezentren mit Residenzpflicht, bis der Asylantrag verhandelt ist, zurück zu Sachleistungen, die Familienzusammenführung bleibt ausgesetzt, und refoulement in angeblich sichere Herkunftsländer im Maghreb und anderswo wird ausdrücklich befürwortet. Die Obergrenze ist faktisch da, nur anders benannt- ‚die Zuwanderungszahl’ dürfe ‘180 000- 200 000 Menschen nicht übersteigen’.

Rüstungsexporte sollen besser eingehegt werden. Insgesamt jedoch liebäugelt das Papier mit einer deutlichen Militarisierung – der Verteidigungshaushalt soll aufgestockt werden, und Entwicklungspolitik wird in einem Atemzug mit der Aufrüstung der Bundeswehr benannt.

Die UN Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung http://www.un.org/Depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf – mit der wichtigen Vision einer ‚Transformation unserer Welt’ –  kommt gar nicht vor,  obgleich die letzte große Koalition sich immerhin verbal für sie ins Zeug gelegt hatte, sowohl mit der Neuauflage der Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschlandhttps://www.bmub.bund.de/themen/nachhaltigkeit-internationales/nachhaltige-entwicklung/strategie-und-umsetzung/nachhaltigkeitsstrategie/ , als auch Im Rahmen von G7- und G20-Verhandlungen. Der Multilateralismus, der international so angegriffen wird wie seit Jahrzehnten nicht mehr – der neue UN-Haushalt mußte um 5% gekürzt werden, trotz der immer intensiveren Herausforderungen in Bezug auf Menschenrechtswahrung, Friedenssicherung, Konfliktprävention und Klimapolitik – kommt im Papier nicht vor: die Vereinten Nationen finden mit keinem Wort Erwähnung. (Zum Vergleich: Siehe den Forderungskatalog der DGVN  http://www.dgvn.de/ueber-uns/forderungskatalog-2017/forderungskatalog-2017-6/#c18860 )

Und damit ist die „Vision“ der möglichen neuen Großen Koalition eigentlich klar: marginale – nicht strukturelle – Nachbesserungen für die, die hier sind, aber kein Interesse an der Welt jenseits der EU-Außengrenzen. Klingt ein bißchen wie ein sehr kurzsichtiges „Me first“.

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